Anfechtung von Testamenten
Anfechtungsberechtigung und Adressat der Anfechtungserklärung
Anfechtungsberechtigt ist stets derjenige, der durch den Wegfall der letztwilligen Verfügung unmittelbar profitieren würde, z.B. der gesetzliche Erbe, der durch ein anfechtbares Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist.
Die Anfechtung selbst erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.
Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtum
Angefochten werden kann eine letztwillige Verfügung nur, wenn vom Gesetz anerkannte Anfechtungsgründe vorliegen. Befand sich der Erblasser über den Inhalt (die Bedeutung) seiner letztwilligen Verfügung im Irrtum (Inhaltsirrtum) oder wollte er eine Erklärung mit diesem Inhalt gar nicht abgeben (Erklärungsirrtum), so kann die letztwillige Verfügung nach seinem Tod angefochten werden.
Auch der sog. Motivirrtum kann – anders als bei einer „normalen“ Willenserklärung – im Erbrecht beachtlich sein, so z.B., wenn der Erblasser bei der Verfassung des Testaments davon ausging, dass die von ihm als Erbe eingesetzte Person ihn heiraten oder später im Alter pflegen würde, diese Erwartung (Motiv) aber nicht eintritt.
Täuschung oder widerrechtliche Drohung
Anfechtbar ist ein Testament auch, wenn festgestellt wird, dass der Erblasser bei seiner Errichtung von einem Dritten arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht worden ist und die Täuschung oder Drohung ursächlich für die Verfügung des Erblassers war, er sie also ohne die Täuschung oder Drohung nicht getroffen hätte.
Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten
Ein in der Praxis häufig vorkommender Anfechtungsgrund ist die Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten. Dieser liegt vor, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testaments von der Existenz eines Pflichtteilsberechtigten (z.B. eines Kindes oder Enkelkindes) nicht wusste oder ein Pflichtteilsberechtigter nach der Errichtung des Testaments geboren oder zum Pflichtteilsberechtigten wird (z.B. durch Heirat).
Dies gilt allerdings nicht, wenn der Erblasser sein Testament so errichten wollte ungeachtet des späteren Hinzutretens von Pflichtteilsberechtigten.
Formfehler
Ein Testament kann nur dann Wirksamkeit beanspruchen, wenn es der für Testamente erforderlichen Form entspricht. So kann ein Testament in notarieller Form oder aber handschriftlich errichtet werden.
Ein handschriftliches Testament muss vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Wurde das Testament vom Erblasser z.B. am PC verfasst und dann eigenhändig unterschrieben, ist es formunwirksam. Auch wenn das Testament von einer anderen Person geschrieben und vom Erblasser lediglich unterschrieben wurde, ist es unwirksam.
Lediglich bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist es zulässig, dass das Testament von einem Ehegatten geschrieben wird. Es muss allerdings in diesem Fall von beiden Ehegatten eigenhändig unterschrieben werden, um wirksam zu sein.
Fehlende Testierfähigkeit
Ein Testament kann nur wirksam errichten werden, wer zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig ist. Nach § 2229 BGB ist grundsätzliche jeder testierfähig, der das 16. Lebensjahr vollendet hat. Die Testierfähigkeit wird also grundsätzlich vermutet.
Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Diese gesetzliche Definition ist wenig aussagekräftig, allerdings können psychiatrische oder neurologische Erkrankungen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, solche wie z.B. Demenz oder Alzheimer, nahelegen, dass Testierunfähigkeit vorgelegen haben könnte.
Die Beweislast für die Testierunfähigkeit trägt derjenige, der sich darauf beruft. Einen solchen Beweis kann in der Praxis nur ein Sachverständiger durch ein entsprechendes Gutachten liefern.
Verstoß gegen ein früheres bindendes Testament oder einen Erbvertrag
Ein Einzeltestament kann vom Erblasser jederzeit geändert oder widerrufen werden. Anders ist es, wenn der Erblasser in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament (z.B. Berliner Testament) oder einem Erbvertrag testiert hat. Letztwillige Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament oder einem Erbvertrag können Bindungswirkung entfalten mit der Folge, dass hiervon abweichende spätere Verfügungen des Erblassers unwirksam sind. Dies muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.
Scheidung vom im Testament eingesetzten Ehegatten
Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Dies ergibt sich aus § 2077 Abs. 1 BGB.
Gefälschtes Testament
Ein handschriftliches Testament muss vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sein, um wirksam zu sein. Gibt es Anhaltspunkte, dass die Handschrift oder die Unterschrift in einem Testament von der bekannten Handschrift oder Unterschrift des Erblassers abweicht, kann es sich um eine Fälschung handeln. In einem solchen Fall müssen die Verdachtsmomente dem Nachlassgericht dargelegt werden, damit dieses – sofern der Verdacht ausreichend begründet ist – ein schriftvergleichendes Gutachten einholen kann. Zur Durchführung eines solchen Gutachtens benötigt der Sachverständige möglichst viele Schriftproben des Erblassers, am besten aus einem Zeitraum, in dem auch das Testament verfasst worden sein soll. Auch Zeugen können zur Klärung beitragen, sofern solche vorhanden sind. Fehlen Schriftproben in ausreichendem Maße oder können keine Zeugen beigebracht werden, wird der Beweis einer Fälschung allerdings schwer zu führen sein.
Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot
Verstößt ein Testament gegen ein gesetzliches Verbot, kann es keine Wirksamkeit entfalten. Ein solches gesetzliches Verbot stellt z.B. die Regelung in § 14 HeimG, das Verfügungen zugunsten des Trägers oder der Beschäftigten eines Heims, in dem der Erblasser untergebracht war, untersagt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Begünstigte von der Zuwendung Kenntnis hatte.
Nicht unter die Bestimmungen des § 14 HeimG fallen grundsätzlich Betreiber oder Beschäftigte eines ambulanten Pflegedienstes. Im Einzelfall kann die Verfügung zugunsten solcher Personen gleichwohl sittenwidrig sein, wenn diese ihre Stellung und das Vertrauensverhältnis zum Erblasser dazu eingesetzt haben, diesen zu einer entsprechenden Verfügung zu veranlassen.
Ein weiteres gesetzliches Verbot ähnlicher Art ergibt sich aus § 30 BtOG für Berufsbetreuer für Verfügungen der durch sie betreuten Person.
Sittenwidrigkeit
Verstößt ein Testament gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 BGB, so ist es nichtig. So kann z.B. ein Testament zugunsten eines Betreuers nichtig sein, wenn dieser seine Vertrauensstellung ausgenutzt hat, um den Erblasser zu einer Verfügung zu seinen Gunsten zu veranlassen. Auch ein sog. “Geliebtentestament” kann nichtig sein, dies jedoch nur, wenn die Einsetzung des oder der Geliebten als Entgelt für sexuelle Hingabe gedacht war.