Vorweggenommene Erbfolge
Unter vorweggenommener Erbfolge versteht man lebzeitige Übertragungen von Vermögensgegenständen an Personen, die den Schenker später ohnehin beerben würden, in der Regel also Kinder oder Enkelkinder. Die Vererbung “mit warmer Hand” kann ein wirksames Instrument zur Einsparung von Erbschaft- und Schenkungsteuern sein, aber auch der Absicherung des Schenkers selbst im Alter dienen, wenn die Kräfte schwinden und er auf Unterstützung und Pflege angewiesen ist.
Bei den Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge handelt es sich meist um Schenkungen im Sinne des § 516 BGB, der Übertragende kann sich aber auch Gegenleistungen versprechen lassen oder Rückfall- und Rückholrechte vorbehalten.
Gründe für die vorweggenommene Erbfolge
Mit fortschreitendem Alter kann es passieren, dass man sich nicht mehr selbst um das große Einfamilienhaus oder ein Unternehmen kümmern kann. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, schon zu Lebzeiten seine Nachfolge einzuleiten, indem z.B. eine Immobilie oder ein Unternehmen auf die nächste Generation übertragen wird. Um gleichwohl weiterhin das verschenkte Haus nutzen zu können oder von den Einkünften aus dem Unternehmensertrag zu profitieren, kann sich der Schenker Wohn- oder Nießbrauchrechte am übertragenen Vermögensgegenstand vorbehalten oder vereinbaren, dass der Beschenkte ihm regelmäßige Rentenzahlungen oder Pflegeleistungen schulden soll.
Weiter können lebzeitige Schenkungen dazu geeignet sein, Pflichtteilsansprüche seiner gesetzlichen Erben zu verringern, denn Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgen, sind in der Regel nicht mehr pflichtteilsergänzungspflichtig. Eine Ausnahme sieht das Gesetz allerdings vor für Schenkungen an Ehegatten. Bei diesen beginnt die Zehnjahresfrist erst mit der Auflösung der Ehe, also mit der Scheidung oder dem Tod des Erblassers. Auch bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt beginnt die Zehnjahresfrist erst mit dem Tod des Erblassers.
Bei großen Vermögen kann die vorweggenommene Erbfolge ein wirksames Instrument zur Verringerung oder gar Vermeidung von Schenkung- bzw. Erbschaftsteuern sein. Der Grund dafür ist der Umstand, dass die persönlichen Schenkung- und Erbschaftsteuerfreibeträge alle 10 Jahre neu ausgeschöpft werden können. So haben z.B. Kinder einen Steuerfreibetrag i.H.v. 400.000 Euro. So kann jedes Kind alle zehn Jahre mit Vermögenswerten im Wert von 400.000 Euro beschenkt werden, ohne dass Schenkungsteuer bezahlt werden muss. Bei sorgfältiger und langfristiger Planung können auf diese Weise Steuern in erheblichem Umfang eingespart und unter Umständen sogar gänzlich vermieden werden.
Schenkung unter Erb- oder Pflichtteilsverzicht
Eine lebzeitige Schenkung kann dazu genutzt werden, einem Pflichtteilsberechtigten sein künftiges Erb- oder Pflichtteilsrecht “abzukaufen”. Dadurch erhält der Pflichtteilsberechtigte sofort Geld, ohne noch lange auf den Erbfall warten zu müssen, der Schenker erlangt im Gegenzug Flexibilität und Rechtssicherheit, dass seine künftigen Erben nicht mehr mit Pflichtteilsansprüchen rechnen müssen.
Schenkung unter Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil
Hat der Schenker mehrere Kinder, schenkt er zu Lebzeiten aber nur an eines davon, kann dies beim späteren Erbfall dazu führen, dass das andere Kind im Ergebnis weniger vom Vermögen des verstorbenen Elternteils erhält. In einem solchen Fall ist Streit vorprogrammiert und der Familienfrieden womöglich zerstört. Will der Schenker dies vermeiden, sollte im Schenkungsvertrag ausdrücklich geregelt sein, dass die Schenkung auf den künftigen Erbteil anzurechnen ist.
Ebenso kann der Schenkungsvertrag eine Regelung enthalten, dass die Schenkung auf den Pflichtteil anzurechnen ist. In diesem Fall kann der Schenker den pflichtteilsberechtigten Beschenkten in einem Testament enterben und sicher gehen, dass dieser nicht den vollen, sondern einen um den Wert der Schenkung reduzierten Pflichtteil geltend machen kann.
Schenken mit Bedacht – auch an eigene Sicherheit denken
Wenn man etwas verschenkt, was man zuvor hart erarbeiten musste, möchte man nicht, dass der verschenkte Gegenstand in fremde Hände gerät, sondern wünscht, dass er für die eigene Familie erhalten bleibt. Es ist daher wichtig für Fälle vorzusorgen, dass z.B. die Gläubiger des Beschenkten nicht auf den geschenkten Gegenstand zugreifen können oder der Beschenkte den geschenkten Gegenstand – oft das Familienheim – veräußert.
Für solche Fälle sollten in den Schenkungsvertrag sogenannte Rückfallklauseln aufgenommen werden. Mit diesen wird vertraglich geregelt, in welchen Situationen der geschenkte Gegenstand wieder an den Schenker zurückübertragen werden muss.
Üblicherweise werden Rückfallklauseln für folgende Fälle vorgesehen:
- der Erwerber verstirbt vor dem Veräußerer,
- der geschenkte Gegenstand wird infolge Insolvenz des Beschenkten oder einer gegen ihn eingeleiteten Zwangsvollstreckung beschlagnahmt,
- der Beschenkte veräußert oder belastet den geschenkten Gegenstand ohne Zustimmung des Schenkers,
- Der Beschenkte verfällt der Spiel- oder Drogensucht,
- Der Beschenkte lässt sich von seinem Ehegatten scheiden
Eine klare vertragliche Regelung verhindert zudem regelmäßig, dass bei der Rückübertragung Schenkungsteuern anfallen können. Gibt es eine solche Regelung nicht, kann für die Rückübertragung eine massive Schenkungsteuerlast entstehen, denn anders als bei Schenkungen von Eltern an Kinder, bei denen der Erbschaftsteuerfreibetrag 400.000 Euro beträgt, können Kinder an Eltern lediglich Werte von höchstens 20.000 Euro steuerfrei übertragen.