Pflichtteil
Das Pflichtteilsrecht sichert nächsten Angehörigen im Erbfall einen gesetzlichen Mindestanspruch am Nachlass des Verstorbenen. Es dient dem Schutz der Familienangehörigen und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Es handelt sich um einen reinen Geldzahlungsanspruch; der Pflichtteilsberechtigte ist daher – anders als der Erbe – nicht mit seiner Pflichtteilsquote am Nachlass direkt beteiligt.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Verwandten des Erblassers:
- Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner (§ 2303 Abs. 2 BGB)
- Abkömmlinge (Kinder, Enkel) (§ 2303 Abs. 1 BGB)
- Eltern des Erblassers, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind (§ 2309 BGB)
Höhe des Pflichtteils
Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 BGB). Der Anspruch bezieht sich auf den gesamten Nachlasswert und wird in Geld ausgezahlt.
Berechnung des Pflichtteils
Die Berechnung erfolgt anhand eines vom Erben zu erstellenden Nachlassverzeichnisses, indem die Verkehrswerte des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls enthalten sind. Mögliche Verfügungen des Erblassers zu Lebzeiten, wie Schenkungen, können unter bestimmten Bedingungen als sogenannter fiktiver Nachlass berücksichtigt zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen (§ 2325 BGB).
Geltendmachung des Pflichtteils
Der Pflichtteilsberechtigte muss seinen Anspruch aktiv geltend machen. Dazu ist zunächst eine detaillierte Auskunft über den Nachlassumfang erforderlich (§ 2314 BGB). Der Gesetzgeber hat dem Pflichtteilsberechtigten starke Rechte an die Hand gegeben, um seinen Anspruch durchsetzen zu können. Neben dem Auskunftsanspruch besteht ein Wertermittlungsanspruch sowie ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Ferner kann der Pflichtteilsberechtigte ein notarielles Nachlassverzeichnis anfordern.
Pflichtteilsrestanspruch
Der Pflichtteilsrestanspruch kann geltend gemacht werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte nicht den vollen Pflichtteil erhalten hat, beispielsweise durch Vorempfänge oder teilweise Enterbung. Der Restanspruch ergänzt den bereits zugeflossenen Teil auf den vollen Pflichtteilsanspruch.
Zusatzpflichtteil
Der Zusatzpflichtteil ist relevant, wenn ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner neben dem Erbteil auch den Pflichtteil beansprucht. Dieser kann entstehen, wenn der überlebende Ehegatte durch testamentarische Verfügungen weniger als den Pflichtteil erhält. Der Zusatzpflichtteil gleicht diese Differenz aus (§ 1371 BGB).
Pflichtteilsergänzungsanspruch
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch schützt Pflichtteilsberechtigte vor Schenkungen des Erblassers, die den Nachlasswert mindern. Schenkungen, die bis zu zehn Jahre vor dem Erbfall – bei Ehegatten sogar während der gesamten Dauer der Ehe – getätigt wurden, werden in die Berechnung des Nachlasses einbezogen (§ 2325 BGB). Insoweit spricht man vom fiktiven Nachlass. Der Ergänzungsanspruch dient dazu, den Pflichtteil zu erhöhen und eine angemessene Beteiligung am Nachlass sicherzustellen. Es wird verhindert, dass der Erblasser durch lebzeitige Schenkungen den Nachlass aushöhlen kann, um den Pflichtteilsanspruch ins Leere laufen zu lassen.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch schmilzt gemäß § 2325 Abs. 3 BGB für jedes volle Jahr nach Vollzug der Schenkung um 1/10 ab. Entscheidend ist daher, wann diese Frist beginnt zu laufen. Bei Ehegatten beginnt diese Frist beispielsweise nicht vor Beendigung der Ehe, sodass Schenkungen an Ehegatten auch nach mehr als 30 Jahren noch zu berücksichtigen wären.
Ausschluss des Pflichtteils
In Ausnahmefällen kann der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entziehen, etwa bei schweren Verfehlungen des Berechtigten gegenüber dem Erblasser (§ 2333 BGB).
Pflichtteilsverzicht
Ein probates Mittel im Rahmen der Nachfolgegestaltung ist der sogenannte Pflichtteilsverzicht. Dieser bedarf der notariellen Beurkundung und führt dazu, dass der Pflichtteilsberechtigte und seine Abkömmlinge keinen Pflichtteil mehr geltend machen können.
Der Regelfall ist der Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung. Es ist auch möglich, einen Pflichtteilsverzicht nur auf einzelne Gegenstände zu beschränken (gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht), sodass Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen ausgeschlossen werden können.
Das Pflichtteilsrecht ist ein komplexes und emotional beladenes Thema. Unsere Kanzlei steht Ihnen mit umfassender Beratung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche zur Seite. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Rechtsberatung.
Anlagen:
Erläuterung & Aufsatz