Erbausschlagung

Nach deutschem Erbrecht geht die Erbschaft auf einen Erben über, ohne dass er dies will oder gar weiß. Dafür reicht es aus, mit dem Erblasser verwandt zu sein oder von diesem in einem Testament zum Erben eingesetzt worden zu sein. Dennoch lässt das Gesetz dem Erben die Möglichkeit, sich von der ihm zugefallenen Erbschaft zu lösen. Dafür muss er die Erbschaft nur fristgerecht ausschlagen.

Nach  Vonselbsterwerb und Universalsukzession

Das deutsche Erbrecht wird von zwei aus § 1922 Abs. 1 BGB folgenden grundlegenden Prinzipien geprägt – dem sog. Vonselbsterwerb und der Universalsukzession.

Stirbt eine Person, fällt ihr Vermögen als Ganzes (Universalsukzession) einem oder mehreren Erben zu. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Erbe dies will, es kommt nicht einmal darauf an, ob der Erbe dies weiß, vielmehr geht das Vermögen der verstorbenen Person auf den Erben automatisch, d. h. ohne dessen Zutun oder seine Kenntnis, über (Vonselbsterwerb).

Man erbt auch Schulden

Dies wäre für sich genommen vielleicht gar nicht so schlimm, würde der Erbe nur die Aktiva der verstorbenen Person erhalten – nicht wenige träumen davon, „reich“ zu erben. Hier kommt allerdings die schon erwähnte Universalsukzession ins Spiel. Diese besagt, dass das Vermögen des Erblassers als Ganzes, d. h. mit allen Aktiva und Passiva (Verpflichtungen, Schulden etc.), die der Erblasser hatte, auf den Erben übergeht.

Es kann also sein, dass man anstelle von Häusern, Autos und viel Geld nur Schulden erbt oder dass die Schulden die im Nachlass vorhandenen Vermögenswerte übersteigen, sodass der Nachlass überschuldet ist.

Es kann aber auch sein, dass man als Erbe mit dem Erblasser bzw. dessen Geld aus persönlichen Gründen nichts zu tun haben möchte oder dass man keine Lust hat, sich mit anderen Miterben über den Nachlass zu streiten. Was dann?

Ausschlagung als Ausweg

Für diese und ähnliche Fälle hat der Gesetzgeber vorgesorgt und gibt dem Erben die Möglichkeit an die Hand, die ihm automatisch anfallende Erbschaft abzulehnen. Niemand soll gezwungen werden, eine Erbschaft gegen seinen Willen anzunehmen. Durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht kann der Erbe das ihm zugefallene Erbe daher ausschlagen (Erbausschlagung). Schlägt ein Erbe die Erbschaft aus, so gilt der Anfall des Erbes an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (§ 1953 BGB).

Die taktische Ausschlagung

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der Nachlass werthaltig ist, eine Ausschlagung dennoch sinnvoll ist, um eine wertmäßig höhere Beteiligung am Nachlass zu erhalten oder das Nachlassvermögen und die damit verbundene Erbschaftsteuerlast optimal zu verteilen. Will man die Ausschlagung zur Vermögens- und Steueroptimierung nutzen, spricht man von einer taktischen Ausschlagung.

Eine taktische Ausschlagung kann zum Beispiel sinnvoll sein, damit der überlebende Ehepartner mehr vom Vermögen des verstorbenen Ehegatten erhält als beim Festhalten an der Erbenstellung.

Haben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, steht dem überlebenden Ehepartner beim Tod des Ehegatten ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zu. Im Falle der gesetzlichen Erbfolge wird der Zugewinnausgleichsanspruch durch die pauschale Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten um 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB ausgeglichen.

Hat der verstorbene Ehegatte seit Eheschließung aber einen sehr hohen Zugewinnüberschuss erzielt, kann es für den überlebenden Ehegatten vorteilhaft sein, wenn er statt der pauschalen Erhöhung des Erbteils den tatsächlichen (berechneten) Zugewinnausgleichsanspruch geltend macht. Das Gesetz gibt dem überlebenden Ehegatten dafür das Recht, die Erbschaft auszuschlagen und den berechneten Zugewinnausgleichsanspruch und daneben den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.

Im Einzelfall kann der Zugewinn und Pflichtteil mehr Wert sein, als der pauschal um 1/4 erhöhte Erbteil des überlebenden Ehegatten.

Ein weiterer Anwendungsfall für eine taktische Ausschlagung kommt bei einem pflichtteilsberechtigten Erben in Betracht, den der Erblasser durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert hat. In diesem Fall kann der pflichtteilsberechtigte Erbe die Erbschaft ausschlagen und statt dieser den unbelasteten Pflichtteil verlangen.

Schließlich kann die Ausschlagung auch ein Gestaltungsmittel sein, um Erbschaftsteuern einzusparen.

Wird die Erbschaft nämlich ausgeschlagen, rücken die nach der gesetzlichen Erbfolge nachrangigen Erben oder die vom Erblasser im Testament vorgesehenen Ersatzerben in die Erbfolge ein, z.B. mehrere Kinder des Ausschlagenden. Dadurch kann sich die Erbschaftsteuerlast auf mehrere Schultern verteilen bzw. insgesamt höhere Erbschaftsteuerfreibeträge ausgenutzt und so erheblich Erbschaftsteuer eingespart werden.

Die Zeit läuft

Das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, steht dem Erben allerdings nur zeitlich begrenzt zu. Dem Gesetzgeber war wichtig, dass nach dem Tod einer Person so schnell wie möglich Rechtssicherheit hergestellt wird, wer der Rechtsnachfolger des Verstorbenen ist.

Nach § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung grundsätzlich nur innerhalb von 6 Wochen erfolgen (Ausschlagungsfrist). Aus § 1944 Abs. 2 BGB folgt, dass die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung (d. h. ob er Erbe aufgrund einer letztwilligen Verfügung oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge geworden ist) Kenntnis erlangt hat.

Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt oder hält sich der Erbe zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Anfall der Erbschaft im Ausland auf, so beträgt die Ausschlagungsfrist nicht 6 Wochen, sondern 6 Monate.

Ausschlagungserklärung

Die Ausschlagungserklärung ist innerhalb der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben. Bei dem Nachlassgericht handelt es sich um eine Abteilung des Amtsgerichts. Örtlich zuständig ist grundsätzlich das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers, allerdings ist es auch möglich, die Ausschlagung beim Amtsgericht am Wohnort des Ausschlagenden zu erklären. Dieses leitet die Ausschlagungserklärung dann an das Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers weiter.

Daneben kann die Ausschlagungserklärung in öffentlich beglaubigter Form erfolgen. In diesem Fall muss ein Notar die Unterschrift des Ausschlagenden unter einem die Ausschlagungserklärung enthaltenden Dokument beglaubigen.  Diese Erklärung muss sodann innerhalb der Ausschlagungsfrist beim zuständigen Nachlassgericht eingehen, d. h. die Abgabe der Erklärung beim Notar allein innerhalb der Frist genügt nicht.

Gleiches gilt auch, wenn die Ausschlagung durch einen Bevollmächtigten erfolgt. Dies ist grundsätzlich möglich, allerdings muss in diesem Fall die Vollmacht öffentlich beglaubigt sein. Diese ist der Ausschlagungserklärung beizufügen oder muss innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht nachgereicht werden.

Wir helfen Ihnen

Wir beraten Sie zu allen Fragen rund um die Erbausschlagung, übernehmen für Sie die Vorbereitung der Ausschlagungserklärung und koordinieren für Sie die öffentliche Beglaubigung der Ausschlagungserklärung bei einem Notar. Haben Sie die Ausschlagungsfrist verpasst, klären wir Sie über mögliche Alternativen auf und helfen Ihnen, die zum Schutze Ihres eigenen Vermögens erforderlichen rechtlichen Vorkehrungen zu treffen.