Erbprozess
Bei allem Bemühen um einvernehmliche Lösungen bei der Klärung erbrechtlicher Ansprüche lassen sich gerichtliche Auseinandersetzungen nicht immer vermeiden. Wenn die Situation gänzlich verfahren ist, bleibt nur der Gang zum Gericht. Um einen solchen Erbprozess – also ein Gerichtsverfahren, in dem es um die Durchsetzung oder Abwehr erbrechtlicher Ansprüche geht – erfolgreich bestreiten zu können, muss man nicht nur das Erbrecht beherrschen, sondern auch über Expertise im Prozessrecht und über viel prozessuale Erfahrung verfügen. Wir bieten beides.
Es gibt eine Vielzahl erbrechtlicher Gerichtsverfahren, die verschiedenen Zwecken dienen. Für einige dieser Verfahren ist das Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig, andere fallen in die Zuständigkeit von Zivilgerichten. Je nachdem, ob es sich um ein nachlassgerichtliches oder ein zivilgerichtliches Verfahren handelt, laufen die Prozesse nach unterschiedlichen prozessualen Regeln ab. Der Ablauf nachlassgerichtlicher Verfahren bestimmt sich nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), für zivilgerichtliche Verfahren gilt die Zivilprozessordnung (ZPO).
Der eigentliche Erbprozess ist stets ein streitiges Verfahren vor einem Zivilgericht (Amtsgericht oder Landgericht) zwischen mindestens zwei Parteien, dem Kläger und dem Beklagten.
Demgegenüber sind Verfahren vor dem Nachlassgericht – dies ist stets eine Abteilung des Amtsgerichts, die für Nachlasssachen zuständig ist – nicht immer streitig.
Erbrechtliche Verfahren vor den Zivilgerichten
Die Eingangsinstanz für zivilgerichtliche Verfahren ist in Abhängigkeit vom Streitwert entweder das Amts- oder das Landgericht. Da der Streitwert erbrechtlicher Verfahren in den meisten Fällen den Höchststreitwert für amtsgerichtliche Verfahren von 5.000 Euro übersteigt, wird um erbrechtliche Ansprüche regelmäßig vor den Landgerichten gestritten.
Vor Landgerichten besteht sog. Anwaltszwang, d.h. klagende und beklagte Parteien müssen sich immer durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin vertreten lassen. Zwar können Sie sich in einem Erbprozess vor einem Landgericht von jedem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, aufgrund der Komplexität des Erbrechts ist gleichwohl dringend dazu anzuraten, für derartige Prozesse einen auf das Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu mandatieren.
Die wichtigsten Erbprozesse, die in die Zuständigkeit von Zivilgerichten fallen, haben wir nachfolgend für Sie zusammengefasst.
Auskunftsklage
Eine Auskunftsklage dient Erben oder sonstigen Personen, denen erbrechtliche Ansprüche zustehen, so insbesondere Pflichtteilsberechtigten, zur Informationsgewinnung. Meist geht es darum, zu klären, welche Nachlassgegenstände vorhanden sind, welche Nachlassverbindlichkeiten bestehen und wo sich bestimmte Nachlassgegenstände befinden.
Die Auskunftsklage ist regelmäßig eine vorbereitende Klage, also eine Vorstufe zu einer nachfolgenden Leistungs- oder Herausgabeklage. Oft ist sie der erste Schritt in einer sog. Stufenklage, die vor allem im Pflichtteilsrecht häufig zur Anwendung kommt.
Erbteilungsklage
Die Erbteilungsklage – auch als Erbauseinandersetzungsklage oder einfach als Teilungsklage bezeichnet – ist das letzte Mittel zur Erzwingung der Aufteilung des Nachlasses unter mehreren Miterben, wenn man sich auf den Verteilungsschlüssel nicht einigen kann. Die Problematik tritt häufig dann auf, wenn es im Nachlass Vermögenswerte gibt, die sich nicht einfach „in natura“ beliebig aufteilen lassen. Was bei Geld noch leicht zu bewerkstelligen ist, funktioniert bei einem Grundstück oder einem wertvollen Oldtimer nicht, wenn mehrere Miterben just diesen konkreten Gegenstand für sich beanspruchen.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Erbteilungsklage ist die Teilungsreife. Dies bedeutet, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten beglichen sein müssen und der vorhandene Nachlass in Natur geteilt werden kann. Teilungsreife ist in der Regel erst erreicht, wenn sämtliche „illiquiden“ Nachlassgegenstände verwertet worden sind. Bei Immobilien kann daher zunächst eine Teilungsversteigerung als vorbereitende Maßnahme erforderlich sein.
Weiter darf die Teilung des Nachlasses nicht vom Erblasser ausgeschlossen worden sein und es müssen sämtliche Erben feststehen.
Im Rahmen der Erbteilungsklage muss der klagende Miterbe dem Gericht einen Teilungsplan präsentieren, der alle Nachlassgegenstände und alle Erben erfasst und der festlegt, wie diese Nachlassgegenstände auf die einzelnen Erben verteilt werden sollen.
Um dieses finale Ziel zu erreichen, sind oft zahlreiche prozessuale Zwischenschritte erforderlich, z.B. die Klärung von Pflichtteilsansprüchen und Ausgleichungspflichten zwischen den Miterben, die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens und die Aufstellung eines detaillierten Nachlassverzeichnisses. Dies kann enorm herausfordernd sein und ist ohne erbrechtliche und prozessuale Expertise und Erfahrung nicht zu bewältigen. Ein solches Verfahren ist daher langwierig und aufgrund der meist hohen Streitwerte auch sehr kostspielig und muss deswegen gut überlegt sein.
Erbenfeststellungsklage
Die Erbenfeststellungsklage ist eine Klage vor dem zuständigen Zivilgericht (Amts- oder Landgericht), mit der der Kläger die Feststellung begehrt, Erbe einer bestimmten (verstorbenen) Person geworden zu sein.
Die Erbenfeststellungsklage ist eine prozessuale Alternative zum sog. Erbscheinsverfahren, welches im Gegensatz zur Erbenfeststellungsklage in die Zuständigkeit des Nachlassgerichts fällt.
Sowohl die Erbenfeststellungsklage als auch das Erbscheinsverfahren sind auf die Feststellung gerichtet, dass und mit welcher Quote jemand Erbe einer verstorbenen Person geworden ist. Trotz dieser vordergründigen Alternativität der beiden Verfahrensarten gibt es zwischen den beiden Arten der Feststellung eines Erbens einen fundamentalen Unterschied:
Der im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens erteilte Erbschein, mit dem im Rechtsverkehr das Erbrecht nachgewiesen wird, erwächst nicht in Rechtskraft. Erweist sich der einmal erteilte Erbschein als falsch, kann (und muss) dieser vom Nachlassgericht eingezogen werden. Ergeht dagegen ein Urteil, mit dem das Gericht im Rahmen einer Erbenfeststellungsklage die Erbenstellung des Klägers bestätigt und wird dagegen kein Rechtsmittel eingelegt oder bleibt das eingelegte Rechtsmittel ohne Erfolg, erlangt das Urteil Rechtskraft und darf das Nachlassgericht in einem anschließenden Erbscheinsverfahren nicht von dem Urteil abweichen.
Die Zweckmäßigkeit des einen oder anderen Verfahrens hängt von der jeweiligen Gemengelage ab. In einfach gelagerten Fällen, in denen das Erbrecht nicht streitig ist, bietet es sich an, das Erbscheinsverfahren durchführen zu lassen, weil es kostengünstiger und in der Regel schneller abgeschlossen werden kann. Ist die Erbenstellung dagegen streitig und der zur Feststellung des Erbrechts zu beurteilende Sachverhalt kompliziert, kann es sinnvoll sein, direkt eine Erbenfeststellungsklage anzustrengen, dies nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, eine rechtskräftige Entscheidung zu erlangen.
Erbunwürdigkeitsanfechtungsklage
Gibt es Grund zu Annahme, dass ein Erbe erbunwürdig ist, kann seine Erbenstellung im Wege einer Erbunwürdigkeitsanfechtungsklage nach § 2342 BGB angefochten werden.
Erbunwürdigkeitsgründe ergeben sich aus § 2339 BGB
Erbunwürdig ist danach
- wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben.
- wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich daran gehindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben;
- wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung dazu bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben;
- wer sich in Ansehung einer Verfügung von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
Das Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes führt nicht automatisch zum Wegfall der Erbenstellung des erbunwürdigen Erben, vielmehr müssen derartige Gründe gerichtlich im Wege der Anfechtung der Erbenstellung geltend gemacht werden.
Anfechtungsberechtigt ist dabei jeder, der vom Wegfall des erbunwürdigen Erben profitieren würden, in der Regel also selbst in die Erbenstellung rücken würde.
Die Erhebung einer derartigen Erbunwürdigkeitsanfechtungsklage ist fristgebunden, sie muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis vom Erbunwürdigkeitsgrund vor dem zuständigen Zivilgericht (Amts- oder Landgericht) erhoben werden.
Klage auf Erfüllung eines Vermächtnisses
Nach § 1939 BGB kann der Erblasser durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis). Ein solcher Vermögensvorteil kann beispielsweise eine bestimmte zum Nachlass gehörende Sache sein (z.B. ein Auto), ein Recht an einer zum Nachlass gehörenden Sache (z.B. ein Wohn- oder Nießbrauchrecht an einer Wohnung) oder ein Geldbetrag – hier sind der Fantasie eines Erblassers kaum Grenzen gesetzt.
Soll jemand ein Vermächtnis erhalten (sog. Vermächtnisnehmer), wird er zwar nicht Erbe, allerdings erhält er einen Anspruch auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes oder Einräumung des ihm durch Vermächtnis zugedachten Rechts. Der Anspruch richtet sich gegen den oder die Erben. Weigert sich der Erbe, den fälligen Vermächtnisanspruch zu erfüllen, kann ihn der Vermächtnisnehmer auf Erfüllung verklagen.
Pflichtteilsklage
Die Pflichtteilsklage ist wahrscheinlich die am häufigsten vorkommende Klage im Erbrecht. Sie dient der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die auskunfts- und zahlungsunwilligen Erben.
Der Pflichtteil steht den nächsten Angehörigen eines Erblassers (Kinder, Enkelkinder, Ehegatte oder Eltern des Erblassers) zu, wenn sie vom Erblasser durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (enterbt) wurden.
Der Pflichtteilsanspruch ist stets ein Geldanspruch und besteht der Höhe nach in der Hälfte dessen, was der von der Erbfolge ausgeschlossene Pflichtteilsberechtigte als gesetzlicher Erbe erhalten hätte. Der Anspruch richtet sich gegen den oder die Erben. Um diesen durchsetzen zu können, steht dem Pflichtteilsberechtigten eine Reihe von Hilfsrechten zur Seite, so z.B. ein Auskunftsanspruch zur Ermittlung des Nachlassbestandes, der durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erfüllen ist, oder der Wertermittlungsanspruch zur Bestimmung des Wertes von Nachlassgegenständen.
In der Regel wird der Pflichtteilsanspruch im Wege einer sog. Stufenklage verfolgt:
- In der ersten Stufe wird Auskunft durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses verlangt.
- Hat der beklagte Erbe das Nachlassverzeichnis vorgelegt, kann der Pflichtteilsberechtigte in der zweiten Stufe für den Fall der unsorgfältigen Auskunftserteilung die Abgabe einer Versicherung an Eides Statt, verlangen, dass die Angaben im Nachlassverzeichnis vollständig und richtig sind und mit der erforderlichen Sorgfalt abgegeben worden sind.
- In der dritten Stufe wird sodann der auf Basis der Auskünfte des Erben ermittelte Pflichtteilsanspruch beziffert und durch Zahlungsantrag geltend gemacht.
Verfahren vor den Nachlassgerichten
Einige gerichtliche Verfahren im Erbrecht sind in der I. Instanz ausschließlich dem Nachlassgericht vorbehalten. Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts, die sich ausschließlich mit Erbangelegenheiten befasst.
Die wichtigsten nachlassgerichtlichen Verfahren beschreiben wir nachstehend.
Aufgebotsverfahren
Das Aufgebotsverfahren ist ein Verfahren, mit dem der Erbe bei einem unübersichtlichen Nachlass, bei dem er aufgrund der Umstände mit zahlreichen Nachlassgläubigern rechnet, ermitteln und zugleich seine grundsätzlich unbeschränkte Erbenhaftung auf den Nachlass beschränken kann.
Das Aufgebotsverfahren wird nur auf Antrag durchgeführt. Antragsberechtigt ist unter anderem der Erbe selbst, der Testamentsvollstrecker, der Nachlasspfleger oder der Nachlassverwalter. Dem Antrag muss ein Verzeichnis der bereits bekannten Nachlassgläubiger beigefügt werden.
Nach Eingang des Antrages fordert das Nachlassgericht alle Nachlassgläubiger öffentlich dazu auf, binnen der im Beschluss genannten Aufgebotsfrist ihre Forderungen gegen den Nachlass beim Nachlassgericht anzumelden. Die Aufgebotsfrist beträgt mindestens 6 Wochen und soll höchstens 6 Monate betragen.
Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots erfolgt durch Aushang an der Gerichtstafel und durch einmalige Veröffentlichung in dem elektronischen Bundesanzeiger. Dadurch sollen die Nachlassgläubiger in ganz Deutschland von dem Aufgebotsverfahren Kenntnis erlangen können.
Nach Ablauf der Aufgebotsfrist ergeht ein Ausschließungsbeschluss, mit der Folge, dass der Erbe Nachlassgläubigern gegenüber, die ihre Forderungen nicht innerhalb der Aufgebotsfrist angemeldet haben, die Ausschließungseinrede erheben kann und diese dann nur aus dem nach Befriedigung der fristgerecht angemeldeten Forderungen verbleibenden Überschuss zu befriedigen sind.
Ist der Nachlass nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens gänzlich erschöpft, kann der Erbe gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern die Erschöpfungseinrede erheben.
Eine Sonderstellung nehmen im Aufgebotsverfahren Forderungen von Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern. Forderungen aus Pflichtteilen und Vermächtnissen gelten gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern als nachrangig. Dies bedeutet, dass die ausgeschlossenen Gläubiger vor Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern zu befriedigen sind. Sind Pflichtteilsrechte bereits erfüllt, bevor der ausgeschlossene Gläubiger seine Forderung geltend macht, schadet dies dem Erben nicht, allerdings kann dem ausgeschlossenen Gläubiger gegenüber dem befriedigten Pflichtteilsberechtigten ein Anfechtungsrecht zustehen.
Anfechtung letztwilliger Verfügungen
Jede letztwillige Verfügung ist eine Willenserklärung des Erblassers und so kann sie wie jede andere Willenserklärung auch unter Willensmängeln leiden, die zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung berechtigen.
Anfechtungsberechtigt ist stets derjenige, der durch den Wegfall der letztwilligen Verfügung unmittelbar profitieren würde, z.B. der gesetzliche Erbe, der durch ein anfechtbares Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Die Anfechtung selbst erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht.
Angefochten kann eine letztwillige Verfügung nur, wenn vom Gesetz anerkannte Anfechtungsgründe vorliegen. Befand sich der Erblasser über den Inhalt (die Bedeutung) seiner letztwilligen Verfügung im Irrtum (Inhaltsirrtum) oder wollte er eine Erklärung mit diesem Inhalt gar nicht abgeben (Erklärungsirrtum), so kann die letztwillige Verfügung nach seinem Tod angefochten werden. Auch der sog. Motivirrtum kann – anders als bei einer „normalen“ Willenserklärung – im Erbrecht beachtlich sein, so z.B., wenn der Erblasser bei der Verfassung des Testaments davon ausging, dass die von ihm als Erbe eingesetzte Person ihn heiraten oder später im Alter pflegen würde, diese Erwartung (Motiv) aber nicht eintritt.
Anfechtbar ist ein Testament auch, wenn festgestellt wird, dass der Erblasser bei seiner Errichtung von einem Dritten arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht worden ist und die Täuschung oder Drohung ursächlich für die Verfügung des Erblassers war, er sie also ohne die Täuschung oder Drohung nicht getroffen hätte.
Ein in der Praxis häufig vorkommender Anfechtungsgrund ist die Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten. Dieser liegt vor, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testaments von der Existenz eines Pflichtteilsberechtigten (z.B. eines Kindes oder Enkelkindes) nicht wusste oder ein Pflichtteilsberechtigter nach der Errichtung des Testaments geboren oder zum Pflichtteilsberechtigten wird (z.B. durch Heirat). Dies gilt allerdings nicht, wenn der Erblasser sein Testament so errichten wollte ungeachtet des späteren Hinzutretens von Pflichtteilsberechtigten.
Erbscheinsverfahren
Das Erbscheinsverfahren ist, wie der Name schon sagt, ein Verfahren zur Erlangung eines Erbscheins. Der Erbschein ist ein Zeugnis über das Erbrecht des Erben, mit dem er seine Erbenstellung im Rechtsverkehr beweisen kann.
Ein Erbschein ist insbesondere dann notwendig, wenn sich im Nachlass Immobilien befinden und der Erblasser keine letztwillige Verfügung oder lediglich ein handschriftliches Testament hinterlassen hat. In diesem Fall wird der Erbschein zur Grundbuchberichtigung unumgänglich sein. Auch um an Bankkonten zu kommen, muss der kontoführenden Bank ein Erbschein vorgelegt werden, jedenfalls wenn der Erblasser kein Testament hinterlassen hat.
Entbehrlich ist der Erbschein meist, wenn sich die Erbfolge aus einem notariellen Testament oder Erbvertrag ergibt und eine solche letztwillige Verfügung z.B. dem Grundbuchamt zusammen mit der Eröffnungsniederschrift (Eröffnungsprotokoll) des Nachlassgerichts vorgelegt wird. Nur ausnahmsweise fordern Grundbuchämter auch in einem solchen Fall die Vorlage eines Erbscheins.
Banken und Sparkassen genügt üblicherweise zum Nachweis des Erbrechts die Vorlage eines privatschriftlichen Testaments mit Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts, um Zugang zu den Konten des Erblassers zu erhalten. Das Testament muss allerdings eindeutig sein, insbesondere muss der Erbe klar bezeichnet sein. Ist das Testament allerdings nicht eindeutig oder auslegungsbedürftig, können die Banken – oder auch das Grundbuchamt – die Vorlage eines Erbscheins fordern.
Da die Durchführung des Erbscheinsverfahrens Zeit erfordert und auch Geld kostet, sollte zunächst geprüft werden, ob eine Nachlassabwicklung auch ohne den Erbschein erfolgen kann, wie beispielsweise in den vorgenannten Fällen. Bei Bankkonten kann ein Erbschein auch dann entbehrlich sein, wenn der Erbe vom Erblasser über den Tod hinaus geltende Kontovollmacht erhalten hat.
Schließlich braucht der Erbschein nicht beantragt werden, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist und der Testamentsvollstrecker sich durch Testamentsvollstreckerzeugnis legitimieren kann.
Seit 2015 gibt es in der EU die Möglichkeit, anstelle oder neben dem Erbschein ein sog. Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) zu beantragen. Dieses hat weitgehend die gleichen Funktionen wie der Erbschein, wird jedoch im Gegensatz zum Erbschein EU-weit anerkannt. Ein Europäisches Nachlasszeugnis kann dann Sinn machen oder gar erforderlich sein, wenn es Nachlassvermögen im EU-Ausland gibt.
In der Praxis setzt sich das Europäische Nachlasszeugnis gleichwohl nur mühsam durch. Häufig muss der Nachlass im Ausland ungeachtet der Existenz des Europäischen Nachlasszeugnisses nach den jeweiligen landeseigenen Regeln abgewickelt werden. Auch für solche Fälle sind wir gewappnet, indem wir mit zahlreichen Kollegen im EU-Ausland bei der Abwicklung solcher internationalen Erbangelegenheiten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Nachlasspflegschaft
Die Nachlasspflegschaft kann vom Nachlassgericht angeordnet werden, wenn beim Erbfall die Erben unbekannt sind und ein Sicherungsbedürfnis für den sonst herrenlosen Nachlass besteht. Der vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspfleger hat die Erben zu ermitteln und bis zur Annahme der Erbschaft durch die ermittelten Erben den Nachlass zu sichern und vor Schaden zu bewahren.
Die Anordnung der Nachlasspflegschaft erfolgt durch das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Beantragt ein Gläubiger die Nachlasspflegschaft zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, so muss das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger bestellen (§ 1961 BGB).
Die Nachlasspflegschaft endet, sobald der Erbe ermittelt ist und die Erbschaft angenommen hat. Formell erfolgt die Beendigung der Nachlasspflegschaft durch einen Aufhebungsbeschluss des Nachlassgerichts. Nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft ist der Nachlasspfleger verpflichtet, den Nachlass an den Erben herauszugeben.
Nachlassverwaltung
Die Nachlassverwaltung ist demgegenüber in erster Linie ein Instrument zur Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass, wenn der Nachlassbestand undurchsichtig und insbesondere unklar ist, ob der vorhandene Aktivnachlass ausreicht, um die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten zu bedienen.
Durch die Nachlassverwaltung wird die Absonderung des Nachlasses vom sonstigen Vermögen der Erben herbeigeführt. Die Anordnung erfolgt nur auf Antrag des Erben, eines Nachlassgläubigers oder des Testamentsvollstreckers. Gibt es mehrere Erben, muss der Antrag von allen Miterben gestellt werden.
Im Falle des Eigenantrages des Erben ist es in der Regel ausreichend, wenn er ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der Nachlassverwaltung darlegen kann. Ein solches liegt vor, wenn der Nachlass voraussichtlich zureichend, aber unübersichtlich ist. Wird durch die Miterben gestellt, so ist das Nachlassgericht grundsätzlich zur Anordnung verpflichtet. Voraussetzung ist lediglich, dass im Zeitpunkt der Anordnung noch die Zustimmung aller Miterben vorliegt. Zieht ein Miterbe seinen Antrag jedoch noch vor der Entscheidung zurück, wird der Antrag insgesamt unzulässig und Nachlassverwaltung darf nicht angeordnet werden.
Die Ablehnung des Antrags ist im Übrigen nur zulässig, wenn der vorhandene Nachlass voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten der Nachlassverwaltung zu decken oder ein Miterbe bereits unbeschränkbar haftet.
Beantragt ein Nachlassgläubiger die Nachlassverwaltung, so ist die Anordnung nur zulässig, wenn die Befriedigung der Nachlassgläubiger aufgrund des Verhaltens oder der Vermögenslage des Erben gefährdet erscheint.
Die Anordnung der Nachlassverwaltung ist zudem nicht mehr möglich, wenn seit der Annahme der Erbschaft mehr als zwei Jahre verstrichen sind (§ 1981 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Erweist sich der Nachlass im Verlauf der Nachlassverwaltung als zahlungsunfähig oder überschuldet, wird auf Antrag des Erben, des Nachlassverwalters oder anderer Berechtigter ein Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet, dessen Ablauf sich nach §§ 315 – 331 der Insolvenzordnung richtet.